Die Fachgruppe Graumulle stellt sich vor.
Die Fachgruppe „Graumulle“ wurde im April 2022 ins Leben gerufen und umfasst aktuell fünf aktive Privathalter. Gegenwärtig befinden sich fünf Graumull-Arten in europäischen Haltungen (als Graumulle werden gemeinhin Arten aus den Sandgräbergattungen Cryptomys und Fukomys bezeichnet – BEGALL et al., 2018). Hierbei handelt es sich um den Ansell-Graumull (Fukomys anselli), den Östlichen Riesengraumull (F. mechowii bzw. F. mellandi, siehe CASPAR et al., 2021), den Mashona-Graumull (F. darlingi) und den Micklem-Graumull (Fukomys micklemi). Über den Gefährdungsstatus der Wildpopulationen dieser strikt unterirdisch lebenden Nager ist effektiv kaum etwas bekannt, ihre Bestände werden von der IUCN aber artübergeifend als gesichert (Least Concern) angesehen. Das allgemeine Haltungsinteresse an Graumullen ist gering. Die in Europa befindlichen Ansell- und Riesengraumulle stammen von Gründertieren ab, die wiederholt, insbesondere in den 90er Jahren und zuletzt 2010, von der Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie (damals geleitet von Hynek Burda, heute weitergeführt von Sabine Begall) an der Universität Duisburg-Essen aus Sambia importiert wurden (BURDA, 2022). Der europäische Mashona-Graumullbestand begründet sich hingegen auf eine einzige Fangaktion, die 2005 im Süden Malawis von Radim Šumbera und seinem Team von der Südböhmischen Universität Budweis durchgeführt wurde (ŠUMBERA et al., 2023). Die Micklem- Graumull-Linie geht schließlich auf Tiere zurück, die der belgische Naturkundler Paul Van Daele Mitte der 2000er Jahre in West-Sambia fing. Abkömmlinge all dieser Importe finden sich heute in den „Mullarien“ der Universitäten Budweis und Essen, dem Max-Planck-Institut für Neurobiologie des Verhaltens in Bonn, verschiedenen europäischen Zoos, sowie bei wenigen Privathaltern wieder (einige davon sind in der BAG organisiert, andere nicht). Abgesehen vom Ansell-Graumull, der sowohl in den universitären Haltungen als auch in Zoos gut repräsentiert ist, sind die europäischen Bestände all dieser Graumullarten mittelfristig durch die geringe Anzahl von Zuchtpaaren und die Kapazitätsgrenzen der Mullarien bedroht. Importe aus den Herkunftsländern sind praktisch nicht mehr möglich. Mit dem Tod der letzten Kafue- (Fukomys kafuensis- 2017) und Whyte-Graumulle (Fukomys whytei- 2019) in Essen sind erst kürzlich noch zwei Arten aus den europäischen (und gleichzeitig auch den globalen) Haltungen verschwunden. Um solche Entwicklungen in Zukunft zu verhindern, arbeitet die Fachgruppe Graumulle daran, ein Netzwerk von Privathaltern aufzubauen, die in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen Graumulle pflegen und nachzüchten möchten. Gegenwärtig konzentrieren sich entsprechende Bemühungen auf Mashona-Graumulle und Östliche Riesengraumulle. Bei Letzteren liegt ein spezielles Problem der Zucht in dem stark verschobenen Geschlechterverhältnis: Es werden deutlich mehr Weibchen als Männchen geboren (CASPAR et al., 2021), weswegen Halter von weiblichen „Überschusstieren“ gesucht werden. Im Jahr 2022 konnten bereits Mashona-Graumullzuchtpaare aus Essen (insgesamt 3,3) an Privathalter abgegeben werden. Außerdem konnten drei Schwesterngruppen von Riesengraumullen (insgesamt 0,8) vermittelt werden, was zu einer merklichen Entlastung der Haltung in Essen geführt hat. Zukünftig möchten wir diese Kooperationen weiter ausbauen, um ein robustes Netzwerk für die Pflege und Zucht dieser einzigartigen Nager zu etablieren.
KAI R. CASPAR